Wahlprüfsteine der LSV zu den Landtagswahlen 2006

Auf der 39. LandesschülerInnenkonferenz (LSK) vom 14.-16.10.2005 in Koblenz wurden nachfolgende Wahlprüfsteine erstellt, die den zu den Landtagswahlen am 26. März 2006 in Rheinland-Pfalz kandidierenden Parteien von der LSV zur Stellungnahme überreicht wurden.

Die Antworten der Parteien findet ihr unten im Downloadbereich als pdf-Dateien.

Wahlprüfsteine zu den Landtagswahlen 2006
- erstellt auf der 39. LandesschülerInnenkonferenz am Görres-Gymnasium in Koblenz vom 16.-18. Oktober 2005 -

1. Partizipation
2. Hochschule
3. Schulstruktur
4. Integration
5. Religionsunterricht
6. Antirassismus


1. Partizipation

Mündigkeit ist Basis einer jeden demokratischen Gesellschaft. Die Schule, als eines der wichtigsten staatlichen Organe, da sie die Gesellschaft reproduziert und auf diese vorbereitet, hat es sich selbst zur Aufgabe gemacht die Schülerinnen und Schüler im Geiste der Demokratie zu erziehen und sie zu selbstbestimmten Menschen zu machen. Die Realität an deutschen Schulen sieht jedoch komplett anders aus. Die SchülerInnenvertretungen haben nur eingeschränkte Beteiligungsmöglichkeiten, während meistens der Direktor/die Direktorin alleine oder mit den LehrerInnen zusammen Entscheidungen trifft, die alle am Schulwesen beteiligten betreffen. Dies widerspricht dem demokratischen Grundgedanken, da in einer Demokratie die Mehrheit entscheidet; die SchülerInnen stellen an einer Schule zweifellos die Mehrheit der Beteiligten.

Die LandesschülerInnenvertretung RLP sieht die derzeitige Politikverdrossenheit in einer Systemverdrossenheit begründet: deutsche Schulen sind Sandkastendemokratien, in welchen die SchülerInnen nur bedingt in demokratische Prozesse eingebunden werden und kaum über ihren Schul- und Lebensraum bestimmen dürfen. Der erste Schritt im Sinne der Erziehung zur Mündigkeit ist eine Beseitigung der schulischen Hierarchien, was dem Grundsatz „one (wo)man- one vote“ entspricht.

Deshalb fordert die LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz:

- die volle Mitbestimmung der Schülerinnen und Schüler in allen die Schule betreffenden Fragen;
- die Einrichtung einer Schulkonferenz anstatt der Gesamtkonferenz, die mit 50% SchülerInnen und 50% LehrerInnen zu besetzen ist;
- als Alternative wäre eine drittelparitätische Version der Schulkonferenz aus 1/3 SchülerInnen, 1/3 LehrerInnen und 1/3 Eltern ebenfalls akzeptabel;
- die Einführung des Sozialkundeunterrichts ab der 5.Klasse mit besonderem Schwerpunkt auf „Demokratieerziehung“;
- die Umsetzung einer selbstbestimmten Lernkultur, anstatt dem üblichen zwanghaften Lernen;
- die Umsetzung der Schulautonomie unter der vollen Berücksichtung der demokratischen Partizipationsrechte von SchülerInnen;
- die Einschränkung der Kompetenz von SchulleiterInnen durch entsprechende Kontrollgremien, bestehend aus LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen;
- die kontinuierliche Aufklärung der SchülerInnen über ihre Rechte und Pflichten durch den Sozialkundeunterricht und Klassen- bzw. Kursstunden;
- die Einführung eines Feedbacksystems von SchülerInnen für LehrerInnen zur Kontrolle der LehrerInnen;
- die Wahl der Schulleitungen auf Zeit durch die SchülerInnen.


2. Hochschule

Bereits im Grundgesetz wird das Recht auf „freie Berufsausübung“ gesetzlich definiert. Die derzeitigen Bestrebungen deutscher Parteien allgemeine Studiengebühren an deutschen Hochschulen einzuführen widerspricht diesem Grundrecht und fördert die ohnehin bereits stark ausgeprägte Selektion in Deutschland. Studiengebühren sind aus gesellschaftlichen wie ökonomischen Gründen abzulehnen. Die LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz sieht durch diese Beschneidung der freien Berufsausübung die Chancengerechtigkeit in Deutschland gefährdet und lehnt jegliche politische Entscheidungen in dieser Hinsicht ab. Denn Chancengleichheit bedeutet nicht, dass Reiche gleich gute und Arme gleich Schlechte Chancen haben sollen.

Deshalb fordert die LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz:

- die ausreichende Finanzierung staatlicher Hochschulen durch öffentliche Gelder. Studiengebühren lehnen wir strikt ab. Ebenso stellen wir uns gegen die unausgereiften Konzepte von Studienkonten und Bildungsgutscheinen, die die unendliche Ressource Bildung als Ware deklarieren und sie somit zu einer künstlichen und „endlichen“ Ressource werden lassen. Zudem werden durch Studienkonten und Bildungsgutscheine die demokratische Beteiligung von StudentInnen beschnitten, da durch diese marktwirtschaftliche Strukturen ihren Einzug in die Hochschulen halten.
- die vollen Mitbestimmungsrechte für die Interessensvertretungen der Studierenden;
- Freien Hochschulzugang für alle, unabhängig vom erreichten Schulabschluss und dem sozialen Hintergrund! Für die Schaffung eines solidarischen Bildungssystems!
- die Abschaffung der Regelstudienzeiten und der Zwangsexmatrikulation.
Wir stellen uns gegen die Pläne einer Studienzeitverkürzung, da dadurch wichtige gesellschaftliche Aspekte des Studiums verloren gehen und sich das Studium ausschließlich den marktwirtschaftlichen Faktoren anpassen würde.
- die Einrichtung von neuen Kindertagesstätten und Ganztagsschulen, um ein frauenfreundliches Studium zu ermöglichen;
- die Umsetzung des Bologna-Prozesses in einem für StudentInnen realistischen Zeitraums, sodass die Mobilität deutscher StudentInnen gesichert ist.


3. Schulstruktur

Die PISA-Studie hat bewiesen: in fast keinem anderen Land hängt die Bildung so sehr vom Geldbeutel der Eltern ab wie in Deutschland. Das dreigliedrige Schulsystem wie wir es in Deutschland vorfinden ist grundsätzlich nicht mit einer demokratischen Gesellschaft vereinbar, da es zu einer Selektion basierend auf dem sozialen Hintergrund der Kinder führt und den Grundsatz der „Gleichheit aller Menschen“ ad absurdum führt. Empfehlungsschreiben, die in der Grundschule gegeben werden, orientieren sich fast ausschließlich an den Deutsch- und Mathenoten der Kinder und nehmen nicht auf den noch unausgereiften Entwicklungsprozess dieser Rücksicht.

Wir stellen uns gegen den Vorwurf der Gleichmacherei von Gesamtschulen. Ausländische Gewinnerländer bei PISA, wie Finnland, zeigen, dass es in einer Gesamtschule zu der Vermischung von kulturellen und sozialen Schichten kommt und sie zudem die Möglichkeit bietet, SchülerInnen gemäß ihrer individuellen Fähigkeiten zu fördern.
Die Institutionalisierung von Ganztagsschulen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung um Bildungspolitik gerecht zu gestalten.
Bildung ist Basis für eine Wissensgesellschaft, welche bisher in Deutschland von staatlicher Seite aus stark gehemmt wird.

Deshalb fordert die LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz:

- die flächendeckende Einführung von Gesamtschulen und die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems;
- den weiteren Ausbau der Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz, wobei in Zukunft neben dem Bau von Infrastrukturen auch neue bildungspolitische Konzepte ihren Einzug in die Schulen halten sollen. Ganztagsschulen dürfen nicht zu erweiterten Halbtagsschulen werden.
- die Auflösung des 45 Min. Rhythmus zu einer offenen Unterrichtsgestaltung.


4. Integration

Die jüngsten Ereignisse aus Frankreich zeigen uns, dass Integration ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft ist. Das derzeitige deutsche Schulsystem ist jedoch diskriminierend gegenüber Minderheiten, seien es Migrantenkinder oder Behinderte. Diese werden ohne individuelle Förderung meistens auf Sonder- oder Hauptschulen abgeschoben.
Nichts ist jedoch für eine gelingende Integration wichtiger als ein gerechtes Bildungssystem. Unterschiedliche Bildungsvorrausetzungen, seien sie nun sozial, kulturell, ethnisch oder physisch bestimmt, müssen von der Schule erkannt, statt ignoriert werden.

Deshalb fordert die LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz:

- Die Bildung behinderter SchülerInnen muss als Aufgabe grundsätzlich aller Schulen verstanden werden. SchülerInnen, gleich ob sie behindert sind oder nicht, sollen die freie Schulwahl haben
- Der Erwerb von Sprachkompetenzen soll verstärkt gefördert werden.
- Schulen sollten Orte der Multikulturalität werden, anstatt sich an antiquierten, nationalstaatlichen Leitbildern zu orientieren.
- die Einrichtung ausreichender Förderkurse für Kinder, die beim Schuleintritt über keine Deutschkenntnisse verfügen.


5. Religionsunterricht

Deutschland stellt mit seinem staatlich verordneten und konfessionell gebundenen Religionsunterricht eine Ausnahme in der Welt dar. Dies widerspricht dem Gedanken eines säkularen Staates, der eine Trennung von Staat und Kirche als Basis ansieht. In dem Moment, wo man einer Glaubensrichtung den Unterricht an staatlichen Schulen erlaubt und sogar, wie in Deutschland, gewährleistet und subventioniert, gibt man ihr den Vorzug vor anderen Religionen. Dies bedeutet, dass ein Religionsunterricht der neutral über mögliche Weltanschauungen informiert nicht stattfinden kann und auch gar nicht soll. Solange noch PfarrerInnen und einseitig ausgebildete TheologInnen den Religionsunterricht an deutschen Schulen durchführen, ist es nicht möglich die christliche Lehre kritisch zu betrachten. Deutschland muss endlich seine Sonderrolle in der Welt aufgeben.

Deshalb fordert die LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz:

- die Abschaffung des derzeitigen Religionsunterrichts. Anstatt dessen soll ein Unterrichtsfach für alle SchülerInnen, egal welcher Konfession sie zugehören, geschaffen werden, das sich mit religiösen, ethischen und politischen Weltanschauungen und der allgemeinen Lebensgestaltung auseinandersetzt.

6. Antirassismus

Rassismus und Antisemitismus sind, in letzter Zeit, immer häufiger auftretende Probleme in Schulen. Die NPD hat es geschafft durch die Schulhof-CD rechtsextremistische Parolen auf den Schulhöfen zu vermehren und diese gesellschaftlich akzeptabel zu machen. Derzeitige Präventionskonzepte gegen Rassismus sind in den Augen der LandesschülerInnenvertretung an unseren Schulen fehlgeschlagen. Die Aufklärung über die historischen Ereignisse von vor 60 Jahren alleine reichen nicht, um rassistisches Gedankengut zu verhindern.

Deshalb fordert die LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz:

- Der Rassismus muss als gesellschaftliches Problem erkannt und in den Schulen diskutiert werden.
- Der Geschichtsunterricht soll sich verstärkt mit dem Ursprung faschistischer Ideologien beschäftigen.
- Bereits oben genannte Faktoren wie die Gesamtschule und die Demokratisierung von Schule sind wichtige Wege, um den Rassismus in seiner Wurzel zu bekämpfen und eine Gesellschaft zu schaffen, die sich auf Solidarität und Toleranz beruft.


Hinweis: Unten auf dieser Seite findet ihr als pdf-Dateien zum einen nochmal die Positionen der LSV, daneben auch die Antworten der bisher im rheinland-pfälzischen Landtag vertretenen Parteien darauf.

Allgemeine und weiterführende Informationen zur Landtagswahl am 26. März sowie am Wahltag ab 18.00 Uhr erste Wahlergebnisse findet ihr auf der Seite des Landeswahlleiters Rheinland-Pfalz.

Unter "www.kandidatenwatch.de", einer Initiative von "Mehr Demokratie", kann man Kandidatinnen und Kandidaten zur Landtagswahl zu ihren politischen Zielen befragen. Die MandatsbewerberInnen werden dort mit einem Kurzprofil vorgestellt und können per Fragenformular kontaktiert werden. Die Fragen der WählerInnen und die Antworten der KandidatInnen sind für alle Interessierten jederzeit nachlesbar.

Umfragen zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz (die berühmte "Sonntagsfrage") findet ihr auf der Seite wahlrecht.de. Dort gibt es auch Erläuterungen zu Wahlrecht und Wahlsystemen.

Für die rheinland-pfälzische Landtagswahl findet ihr auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung den Wahl-O-Mat . Für den Wahl-O-Mat haben die Parteien Bündnis90/Die Grünen, CDU, FDP, SPD und WASG zu 30 Thesen Position bezogen. Ihr könnt diese mit euren politischen Auffassungen abgleichen und am Ende den Wahl-O-Mat berechnen lassen, welche Partei für euch bei der Landtagswahl die richtige ist bzw. wäre.