Landesschülervertretung gegen Mädchen-Klassen

Scharfe Kritik an der „Physik light“-Warnung Rolf Franzens

Zweibrücken

Von Katja May, 10.09.2015

Die Landesschülervertretung hält das Experiment mit Physik nur für Mädchen am Zweibrücker Hofenfels-Gymnasium für gefährlich. Besser wäre, traditionelle Rollenbilder im Unterricht zu thematisieren, um sie abzubauen. Kontraproduktiv seien da Äußerungen, wie sie Bürgermeister Rolf Franzen als Ex-Lehrer getätigt hat.

Die Landesschülervertretung Rheinland-Pfalz lehnt einen nach Geschlechtern getrennten Physikunterricht „entschieden ab“. Das erklärt ihr Sprecher Marvin Müller auf Anfrage des Pfälzischen Merkur. Als Pilotprojekt wird ab nächster Woche am Zweibrücker Hofenfels-Gymnasium in zwei siebten Klassen Physik für Mädchen und Jungen getrennt unterrichtet (wir berichteten). Dadurch erhofft sich die Schulleitung, mehr Mädchen für die sogenannten MINT-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zu begeistern. Bislang hätten nur wenige Mädchen in der Oberstufe diese Fächer gewählt.

Für Landesschülersprecher Müller jedoch ist die Trennung der Geschlechter „nicht der richtige Umgang mit dem Problem des fehlenden Interesses von Mädchen an MINT-Fächern“. Er befürchtet sogar, dass dadurch die Mädchen, die sich dafür interessieren, in diesem Bereich noch weiter als Minderheit und Ausnahme abgegrenzt werden. Dies würde das Ansehen von Frauen in MINT-Berufen nicht unbedingt verbessern.

Der Zweibrücker Bürgermeister und Schuldezernent Rolf Franzen (CDU) steht in seiner Amtsrolle dem Projekt zwar neutral gegenüber. Als ehemaliger Lehrer hat er allerdings im Merkur vor „Physik light“ gewarnt, wenn es reine Mädchen-Physikklassen gibt. Müller sieht in solchen Aussagen das Kernproblem: „Mädchen sind nicht von sich aus weniger an Mathematik, Naturwissenschaften und Technik interessiert, sondern werden dazu sozialisiert!“

Damit folgt Müller einem prominenten aktuellen Ansatz aus der Geschlechterforschung, der Geschlecht nicht nur nach rein biologischen Unterschieden beurteilt. Stattdessen werden die Folgen des gesellschaftlichen Umfelds und der Vermittlung traditioneller Rollenbilder betrachtet („soziales Geschlecht“).

Frauenministerium zufrieden

Die Landeschülervertretung unterstützt deshalb einen Unterrichtsansatz, bei dem diese Rollenbilder und Vorurteile bewusst im Unterricht thematisiert werden, um sie letztendlich abzubauen. „Geschlechtergetrennter Unterricht verstärkt rollentypisches Verhalten bei Mädchen und Jungen nur noch zusätzlich“, ist Müller überzeugt.

Das von Irene Alt (Grüne) geführte rheinland-pfälzische Frauenministerium begrüßt allerdings das Projekt. Auf Merkur-Anfrage erklärt Pressesprecherin Birgit Jahns: „Das Projekt bietet die Chance, neue Wege zur Überwindung von Stereotypen in der fachlichen Orientierung junger Menschen zu entwickeln.“

Schüler hätten offen reagiert

Am Hofenfels-Gymnasium wurde das Thema laut Direktor Werner Schuff ausführlich im Schulausschuss und in der Gesamtkonferenz diskutiert: „Wir haben natürlich alle Seiten in Betracht gezogen, aber der Tenor im Lehrerkollegium sowie bei Schüler- und Elternvertretern war im Allgemeinen positiv und wir möchten das einfach mal ausprobieren“.

Die betroffenen zwei siebten Klassen seien am Montag ausführlich informiert worden und hätten offen reagiert, berichtet Schuff. Ein Elternabend gebe nächste Woche Schülern und Eltern die Gelegenheit, Fragen und Bedenken zu äußern.

Das vierjährige Projekt wird wissenschaftlich von Professorin Mandy Schiefner-Rohs von der Technischen Universität Kaiserslautern begleitet. Schiefner-Rohs möchte herausfinden, wie sich der geschlechtergetrennte Unterricht auf das Lern- und Wettbewerbsverhalten der Mädchen auswirkt.

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