Sind Hausaufgaben okay, nur weil sie Tradition haben?

SWR-Beitrag vom 29.10.2016

Hausaufgaben sind vielleicht das Schlimmste an der Schule. Das sehen viele Schüler so, aber auch Bildungsforscher und Verbände. Warum sie trotzdem eine Existenzberechtigung haben.

Schüler haben's gut? Von wegen. Durch aufwendige Hausaufgaben, oft in gleich mehreren Fächern, haben Kinder und Jugendliche oft sehr lange „Arbeitstage“. 50, 60 Stunden pro Woche würden so anfallen, schätzt Mona Kaczun, Vorstandsmitglied der Landesschülervertretung Rheinland-Pfalz, gegenüber der dpa. Besonders in der „heißen Phase, wenn man auch noch lernen muss“.


Hausaufgaben könnten Schüler überfordern


Schließlich reicht nur das Hausaufgaben-machen nicht aus, um auch fehlerfrei durch die Klausuren zu rutschen. Das wissen wohl jeder Schüler und jede Schülerin, die schon einmal durch eine Klassenarbeit gerasselt sind.

Dieses Arbeitspensum überfordere viele Schüler, sagt Mona Kaczun, die selbst in Stufe Zwölf ist. Auch die Persönlichkeitsentwicklung leide unter der Menge an Arbeit. „Die Schule bildet auf die eine Weise und das richtige leben auf eine andere“, sagt sie. Doch: Die meisten Schüler hätten durch Hausaufgaben und Lernen einfach keine Zeit, um sich neben der Schule etwa ehrenamtlich zu engagieren oder im Vereins- und Ortsleben mitzuwirken.


Wer in der Schule nicht mitkommt, tut das auch zu Hause nicht


Hinzu komme das Problem, dass komplizierte Aufgaben aus der Schule auch daheim nicht leichter würden. „Wenn jemand schon in der Schule das Thema nicht versteht, dann sehr wahrscheinlich zu Hause auch nicht“, sagte die Zwölftklässlerin der dpa. Ein Buch zu lesen, das etwa im Deutsch- oder Englischunterricht gerade besprochen wird, das sei natürlich schon nützlich.

Sinnvoll sind ihrer Meinung nach aber auch freiwillige Aufgaben. Wer sich testen will und mindestens das meiste verstanden hat, kann es versuchen – und bekommt zur Selbstkontrolle auch die Lösungen. Eine andere Idee wären Schulstunden zum eigenständigen Lernen. Es ist dann zwar ein Lehrer da, der beantwortet aber nur Fragen oder gibt Hilfestellung. Das würde bei manchen auch teuren Nachhilfeunterricht ersetzen. Denn weil sich diesen nicht jeder leisten könne, zerstöre dieser die Chancengleichheit.


Hausaufgaben abschaffen, stattdessen Ganztagsschulen


Hjalmar Brandt, Landesgeschäftsführer des Verbandes Bildung und Erziehung Rheinland-Pfalz hält Hausaufgaben generell für sinnvoll. Sie müssten allerdings zeitlich begrenzt sein und dürften nicht dazu dienen, neuen Lernstoff selbst zu erarbeiten. Auch er sagt: „Es gibt auch ein Leben neben der Schule.“ Trotzdem wäre seine Empfehlung: Eine Stunde Hausaufgaben für Grundschüler, danach dürften es auch zwei werden.

Doch wer bis 15 oder 16 Uhr Schule hat, danach vielleicht eine Dreiviertelstunde Heimweg vor sich hat, zu Hause etwas isst und dann noch zwei Stunden lang Hausaufgaben machen muss, hat keine Zeit mehr, für das von Brandt genannte „Leben neben der Schule“.

Ein Kompromiss könnte vielleicht der Vorschlag der Erziehungswissenschaftlerin Karin Bräu von der Universität Mainz sein: Hausaufgaben sollten abgeschafft werden, sagte sie der dpa. Dafür sollte in Ganztagsschulen der Stoff wiederholt werden, gemeinsam mit Lehrern. Denn eine große Gefahr sieht Bräu auch in der Hausaufgabenbetreuung durch die Eltern: Manche könnten das gut. Andere hingegen würden sich selbst schwertun und seien keine große Hilfe – und auch das könnte zu ungleichen Chancen unter den Kindern führen.


von Lena Seiferlin/dpa

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