Landesschülervertretung zu Abiturnoten: „Wir werden schon ziemlich getrimmt“
Interview im Deutschlandfunk am 14.01.2019
Der Leistungdruck unter Abiturienten ist laut Alessandra la Sala von der Landesschülervertretung Rheinland-Pfalz enorm. Viele Schüler hätten Versagensängste. Daher lehne sie auch die Forderung des Philologenverbandes nach strengeren Noten ab. Stattdessen sollten Noten ganz abgeschafft werden, sagte la Sala im Dlf.
Alessandra la Sala im Gespräch mit Stephanie Gebert
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Stefanie Gebert: Gerade laufen die Planungen für die Abi-Prüfungen, und mitten in diese Vorbereitungen platzt der Philologenverband mit seiner Forderung, die Abiturnoten sollten strenger werden. Das Argument: Im Moment sind die Noten nicht aussagekräftig, und die Schüler bekommen nicht realistisch gespiegelt, wie gut oder schlecht sie wirklich sind. So sind die Abiturienten zwar berechtigt zum Studium oder für den Berufseinstieg, aber noch lange nicht genügend vorbereitet. So also die Sicht des Verbands der Gymnasiallehrer. Dagegen regt sich Widerstand, etwa bei der Landesschülervertretung Rheinland-Pfalz. Dort ist Alessandra la Sala im Vorstand. Ich grüße Sie!
Alessandra la Sala: Hallo!
Gebert: Sie sind in der zwölften Klasse. Haben Sie das Gefühl, Sie und Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler bekommen das Abitur hinterhergeschmissen?
la Sala: Ja, ich bin in der zwölften Klasse, und nein, so sehe ich das nicht. Ich finde, wir werden schon ziemlich getrimmt jetzt und auf das Abitur vorbereitet. Es wird auch ganz schön viel Angst, sage ich jetzt einfach mal, gemacht, was das Abitur angeht.
Gebert: Der Philologenverband stößt sich ja an den Vorgaben der Kultusministerkonferenz. Danach gilt eine Prüfung im Abi als bestanden, wenn die Schüler weniger als die Hälfte der Aufgaben richtig gelöst haben. Ist das tatsächlich nicht ein bisschen wenig? Nicht mal die Hälfte, und trotzdem hat man bestanden?
la Sala: Ich weiß jetzt nicht, wie eine Abiturprüfung genau aussieht. Aber von dem, was ich vielen Schüler*innen gehört habe, ist das schon sehr anspruchsvoll, was da von einem Schüler oder einer Schülerin verlangt wird. Von daher finde ich das eigentlich gerechtfertigt, dass das schon als bestanden gilt, wenn weniger als die Hälfte richtig beantwortet ist.
„Noten sind weder objektiv noch aussagekräftig“
Gebert: Noch mal zur Notendiskussion. Wir haben ja das Argument gehört, Noten würden nicht wiedergeben, was tatsächlich an Können und Wissen da ist. Sind Noten aus Ihrer Sicht zu starr? Muss das System grundsätzlich überdacht werden?
la Sala: Die Landesschüler*innenvertretung Rheinland-Pfalz lehnt ja Noten grundsätzlich ab, da Noten weder objektiv sind noch aussagekräftig. Und wir finden, dass sie ein egoistisches Schulumfeld verursachen, da jede Schülerin für sich allein kämpft, und nicht einfach nur ein objektives Mittel zur Messung von Leistungen sind.
Gebert: Trotzdem muss ja Leistung vergleichbar bleiben. Was wäre denn die Alternative?
la Sala: Wir schlagen vor, dass zum Beispiel jetzt in der Oberstufe nicht am Schluss mit einer Klausur abgeschlossen wird, die so eine starke Gewichtung zugeschrieben bekommt, und stattdessen eine Durchschnittspunktzahl aus der kompletten Zeit der Oberstufe abzüglich des ersten Halbjahrs errechnet werden soll. Und statt einer Zahl soll ein Zeugnis klar wiedergeben können, welche Kompetenzen erworben wurden. Es soll jeder Schüler individuell bewertet werden, damit eben diese Vergleiche nicht herrschen und jeder Schüler sich mit anderen Schüler*innen vergleicht.
Gebert: Sie argumentieren auch mit dem Leistungsdruck, der sowieso schon auf Schülerinnen und Schülern lastet, besonders dann, wenn sie zum Abitur gehen. Wie erleben Sie denn Ihre Mitschülerinnen und -schüler, die in der Vorbereitung stecken?
la Sala: Viele Schüler und Schülerinnen sind vor den Abiturarbeiten oder generell vor Klausuren sehr gestresst und wirken so auch auf andere und können diesem Druck nicht standhalten und haben Angst, dass sie versagen oder dass sie es nicht schaffen. Und ich habe auch schon Schülerinnen und Schüler erlebt, die von der Schule gegangen sind, obwohl sie supertolle Noten hatten, weil sie einfach Angst davor hatten, es nicht zu schaffen.
Gebert: Der Druck scheint also jetzt schon massiv zu sein. Trotzdem will der Philologenverband erreichen, dass es eine strengere Bewertung im Abitur gibt. Warum sie das für die falsche Entscheidung hält, hat uns Alessandra la Sala vom Landesschülerverband Rheinland-Pfalz erzählt. Danke schön!